Übersetzen ist eine kulturstiftende Praxis, bei der Inhalte in ein neues Sprachsystem überführt, Literatur- und Wissensformationen ausgebildet und zugleich Machtrelationen austariert werden. Die unterschiedlichen Akzentuierungen in ausgangs- und zielsprachigen Texten zeugen davon, wie Normen adaptiert, transformiert und etabliert werden. Übersetzungen tragen zur Identitätskonstitution und zur Ausformung gesellschaftlicher Hierarchieverhältnisse bei, indem sie von Menschen für Menschen produziert werden und menschliche Angelegenheiten thematisieren. Welt- und Menschenbilder, insbesondere Vorstellungen von gender, class und race werden beim Transferprozess oft explizit, immer jedoch implizit reflektiert, meist binär strukturiert und langfristig festgeschrieben. In den frühneuzeitlichen Übersetzungen spiegeln sich die zeitgenössischen Diskussionen, die durch die protestantische Bewegung ausgelöst und in den konfessionellen Kulturen fortgesetzt werden, über die unterschiedlichen Wertigkeiten von Männern und Frauen, Klerikern und Laien, Ehe- und Klosterleuten, Gläubigen und Ungläubigen, Fürsten und Untertanen, Hofleuten und Bürgern, Gelehrten und Ungebildeten, Alten und Jungen, Kranken und Gesunden.
Die zweite Sektion nimmt Ansätze der Gender- und Intersektionalitätsforschung auf und verbindet diese mit historischer Translationsforschung. Auf diese Weise kann eine Archäologie anthropologischen Wissens betrieben werden und die übersetzungskulturelle Konstruktion der Kategorien Geschlecht, Sexualität, Ethnizität, Nation, Klasse, Religion, Gesundheit, Herkunft, Bildung und Besitz untersucht werden.
PD Dr. Sonja Brentjes, Dr. Victor de Castro León, Alberto Tiburcio
Arabische und osmanisch-türkische nautische Kartographie des Mittelmeers: Inseln oder Eintrittspunkte für Wissen im Ozean transkultureller und translinguistischer Übersetzungsprozesse?
Prof. Dr. Regina Toepfer, Jennifer Hagedorn
Translationsanthropologie. Die deutschen Homer- und Ovid-Übersetzungen des 16. Jahrhunderts aus der Perspektive der Intersektionalitätsforschung
Dr. Katja Triplett
Japans übersetzte Religion: Christentum, Transkulturalität und Übersetzungskulturen im 16./17. Jahrhundert
Prof. Dr. Martina Schrader-Kniffki, Yannic Klamp, Malte Kneifel
Koloniale Translationspraktiken an der Peripherie Neu-Spaniens zwischen Evangelisierung und lokaler indigener Rechtsprechung in den Sprachen Spanisch und Zapotekisch (17./18. Jh.)
Prof. Dr. Christina Strunck, Lukas Maier
Kunst und Krise: Transnationale und interkonfessionelle Übersetzungsprozesse in Bildkünsten und Architektur in Großbritannien (1625–1727)
Prof. Dr. Dirk Werle, Sofia Derer
Johann Michael Moscherosch: Übersetzen – Wissen – Erzählen