Auf der Tagung des SPP-Teilprojekts Versio latina diskutierten insgesamt 30 Wissenschaftler:innen, davon 15 Vortragende, aus Europa und den USA in Tübingen gemeinsam über Latein als Zielsprache in verschiedenen frühneuzeitlichen Kontexten, Übersetzungsprozessen und Netzwerken. Die Organisatorinnen Julia Heideklang und Prof. Dr. Anja Wolkenhauer freut insbesondere, dass die Tagung sowohl bei zahlreichen Gästen als auch in der Presse großes Interesse fand.
Die Konferenz zeigte die zahlenmäßige Größe und Vielfältigkeit der Übersetzungsprozesse auf, wobei das Lateinische in seinen vielfältigen Funktionen innerhalb der frühneuzeitlichen Mehrsprachigkeit und ihrer ‚Sprachbiotope‘ kenntlich wurde. Die oftmals aufgerufene Kontinuität der lateinischen Sprache und Literatur wurde von den Akteuren der Übersetzungsprozesse durchaus unterschiedlich argumentativ eingesetzt und bewertet (z.B. als semantisches Surplus, Status- und Bedeutungsanzeiger oder Instrument der Internationalisierung regionaler Belange). Auch bisher weitgehend unbeachtete Aspekte bekannter historischer Konstellationen kamen neu zur Sprache, so etwa die beachtliche Zahl und Bedeutung von Übersetzungen lutherischer Schriften ins Lateinische, die Stefan Rhein in seinem Vortrag zum „Lutherus latinus“ vorstellte.
Die Tagung hat einige zukünftige Aufgabenfelder sichtbar gemacht: Selbstübersetzungen und kollektive Autorschaft traten in ihrer Bedeutung klar hervor, bedürfen jedoch weiterer Diskussion. Neben der Vielfalt der Funktionen des Übersetzens ins Lateinische gab es auch einzelne Kontexte, in denen Latein gerade nicht als adäquate Zielsprache empfunden wurde. Klärungsbedarf besteht in der Frage, wie Latein, Griechisch und andere antike Sprachen im Mehrsprachensystem der Frühen Neuzeit zueinander standen. Das Zusammenführen zahlreicher internationaler Projekte und ihrer Kataloge ist guter erster Schritt, um zukünftig die einzelnen Fallstudien mit einer flächendeckenden quantitativen Verzeichnung verbinden und in größere Trends einzubetten zu können. Die Ergebnisse werden in einem gemeinsamen Tagungsband veröffentlicht.