Übersetzen ist eine kulturstiftende Praxis, bei der Inhalte in ein neues Sprachsystem überführt, Literatur- und Wissensformationen ausgebildet und zugleich Machtrelationen austariert werden. Die unterschiedlichen Akzentuierungen in ausgangs- und zielsprachigen Texten zeugen davon, wie Normen adaptiert, transformiert und etabliert werden. Übersetzungen tragen zur Identitätskonstitution und zur Ausformung gesellschaftlicher Hierarchieverhältnisse bei, indem sie von Menschen für Menschen produziert werden und menschliche Angelegenheiten thematisieren. Welt- und Menschenbilder, insbesondere Vorstellungen von gender, class und race werden beim Transferprozess oft explizit, immer jedoch implizit reflektiert, meist binär strukturiert und langfristig festgeschrieben. In den frühneuzeitlichen Übersetzungen spiegeln sich die zeitgenössischen Diskussionen, die durch die protestantische Bewegung ausgelöst und in den konfessionellen Kulturen fortgesetzt werden, über die unterschiedlichen Wertigkeiten von Männern und Frauen, Klerikern und Laien, Ehe- und Klosterleuten, Gläubigen und Ungläubigen, Fürsten und Untertanen, Hofleuten und Bürgern, Gelehrten und Ungebildeten, Alten und Jungen, Kranken und Gesunden.
Die zweite Sektion nimmt Ansätze der Gender- und Intersektionalitätsforschung auf und verbindet diese mit historischer Translationsforschung. Auf diese Weise kann eine Archäologie anthropologischen Wissens betrieben werden und die übersetzungskulturelle Konstruktion der Kategorien Geschlecht, Sexualität, Ethnizität, Nation, Klasse, Religion, Gesundheit, Herkunft, Bildung und Besitz untersucht werden.
Prof. Dr. Regina Toepfer, Jennifer Hagedorn, Dr. Rahel Micklich
Translationsanthropologie. Deutsche Antikenübersetzungen des 16. Jahrhunderts aus der Perspektive der Intersektionalitätsforschung
PD Dr. Susanne Greilich, Prof. Dr. Hans-Jürgen Lüsebrink, Carla Dalbeck
Übersetzungsdimensionen des Enzyklopädismus im Aufklärungszeitalter. II. Phase: Transatlantischer Wissenstransfer und kulturelle Übersetzungsdynamik. Textfiliationen, kulturelle Transformationen, (post-)koloniale Asymmetrien
Dr. Cecilia Muratori
Deutsche Mystik in Übersetzung. Die Erfindung einer europäischen Idee
Dr. Enrica Fantino
Lukian in der deutschen Übersetzungskultur der Frühen Neuzeit